Um auf das echte Mannheimer Krempelmarkt-Gefühl zu kommen, ist es unumgänglich, den Wecker auf halb vier zu stellen und in der Frühe aufzustehen. Das ist übrigens seit den siebziger Jahren schon so, als der Krempelmarkt noch auf dem Theatervorplatz stattfand. Es erweist sich als kluge Tat, den Wagen bereits am Abend zuvor voll gestopft zu haben. Vorbei an schwankenden Nachtschwärmern, mit denen ich jetzt nicht tauschen will, fahre ich über die Kurpfalzbrücke zum Neuen Messplatz. Ordentlich was los, doch keine Panik, der Platz ist groß genug. Beim Ausladen, ich klappe einen altmodischen Tapeziertisch auf, umringen mich auf einmal Menschen mit Stablampen, Stirnlampen, Taschenlampen. Mit etwas Glück bringt dieser Moment den halben Tagesumsatz. Sammler und Händler haben scharfe Augen und Geld in der Tasche.
Man muss sich entscheiden: Will ich meinen Kram loswerden oder wieder mit nach Hause nehmen? Los werden, sage ich mir. Was willstn dafür haben? 60 Euro! Na komm 50, ein Zehner geht immer! Schmerzgrenze, o.k. Die Scheine wandern in die Tasche, der Picasso ist weg. Oh nein, war nicht Sonnenschein angesagt? Nicht an die Plane gedacht. Einpacken, schützen, unterstellen. Regenpreise. Der Wetterradar auf Nachbars Smartphone lässt hoffen und bangen. Erfahrungsaustausch. Sonst regnet´s nie. Heidelberg war schlimmer. Ich habe Glück, ohne Plane verkauft´s sich besser! Nur nicht die Bücher, die sind hin. Käufer sind mit Regenschirmen unterwegs. Den Sonnenaufgang haben wir verpasst, dafür hat´s wieder aufgehört zu regnen. Am Stand gegenüber hat ein Junge nach fünf Stunden ganz wie gewohnt Hunger und will von Papa ne Bratwurst! Was, erst halb neun, staunt er? Rhythmus verschoben. Ich denke jetzt eher an nen Kaffee. Das Tagesgeschäft beginnt. Leute, die augenscheinlich länger geschlafen haben, gucken, fragen, erzählen, reden, kaufen, gehen, kommen wieder, auch manche Gestalten aus der Dunkelheit schauen noch mal vorbei. Ist das Ding noch da? Nette Nachbarn passen dann mal auf den Stand auf. Mit n bisschen Geld in der Tasche, könnt ich ja mal schaun, was es so gibt. Plattenstand. Klar. Und nun, wenn nicht nur die Schätze verkauft, sondern auch eine kleine Entdeckung gekauft ist, wird das Krempelmarkt-Gefühl perfekt. Überreizt, aufgekratzt, etwas Geld in der Tasche, müde, glücklich und zufrieden in einem.
Krempelmarkt
Projekt Freiraum e.V.
Neuer Messplatz
(83) 09.2013
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