Es gibt Dinge, die sich ändern. Und es gibt Dinge, die du meidest. Nicht an sonnigen Tagen. Du radelst auf der Sandhofer Straße, vorbei an Zellstofffabrik und Papyrus, linker Hand der Altrhein und am gegenüberliegenden Ufer die Sandbänke, die dich immer erinnern, dass du dich verstecken könntest, wie Huckleberry Finn, für eine Weile, auch wenn es eine Insel ist mit einem Müllberg darauf, so gibt es dort Gebüsch und Wasser, ausreichend für ein wildes Leben, Freiheit und Feuerholz. Wer sagt, dass Flüsse verbinden? Wer sagt, dass Gerüche verschwinden? Auf deiner Seite, in deinem Rücken, Mauern aus Stein, Backstein, Ziegelstein, halb verfallen, Zickzackkanten und ein hoher Turm mit Rauch. Hier zu sein, ist keine Ehre. Das sagt dir deine Nase. Widerwillig nimmt sie Luft auf. Was machst du mit mir? Was zum Teufel ist das, quetscht sie heraus. Doch du steigst ab und schaust in den Stinkkanal und stellst fest: Es gab mehr Schaum damals auf dem Wasser, mehr Blasen und Gischt. Die Brühe war rötlich gefärbt und der Gestank war bestialisch in der guten alten Zeit. Jetzt weist du nicht genau, ob es von der Luft oder vom Wasser her stinkt. Chlor wird seit 1989 nicht mehr beigemischt und Fische scheint es am Altrhein auch wieder zu geben, sonst würde da kein Komoran vom Pfahl scheißen.
Man sollte ihn nicht verachten, diesen Stinkkanal. Schließlich haben eine Menge Männer bei Zellstoff und Weyl hart gearbeitet, dass es fließt im Kanal. Und sie haben Geld verdient und ihre Frauen und Kinder durchgebracht und du bist eines davon. Also etwas Respekt bitte, rufen sie dich streng zur Pflicht. Was du ihnen schuldest ist Ernsthaftigkeit. Keine Industrieromantik.
ALSO: Der parallel zur Sandhofer Straße bis zur Riedspitze verlaufende Abwasserkanal wird in Mannheim Stinkkanal genannt. Er führte behördlich genehmigt seit 1908 die Abwässer der Zellstofffabrik, später auch der chemischen Fabrik Weyl und anderen dem (Alt)Rhein zu. Mit der Zeit änderten sich die Produktionbedingungen und vor allem die Mengen. So strömte weit in die 1970er Jahre ein heftiger Gestank aus dem Kanal, der Brechreiz, Übelkeit und Kopfschmerzen bei den Bewohnern von Sandhofen und Lutzenberg verursachte. Die farbigen Abwässer aus dem Stinkkanal mit ihren Schaumstreifen konnten mehrere hundert Meter weit auf dem Rhein verfolgt werden. Irgendwann drohte wohl die Staatsanwaltschaft Ermittlungen einzuleiten und allmählich stellte sich Besserung ein. Mittlerweile wird das Wasser von SCA biologisch geklärt.
Gut, doch hier stinkt´s noch immer, darum sieh zu, dass du weiterkommst.
Am Stinkkanal
Abwasserkanal der SCA
ganzjährig
entlang der Sandhofer Straße, Riedspitze
(152) 06.2014
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