Man könnte zurecht fragen, ob ich nichts Besseres zu tun hätte, als irgendwelchen Graffitis hinterzujagen und tatsächlich interessierten mich gekritzelte Schriftzeichen bisher eigentlich wenig. Die Wahrheit aber ist, nicht ich verfolge sie, sondern sie verfolgen mich. Genau genommen eigentlich nur eines: NUBES
Es kommt mir vor, als sah ich noch nie zuvor einen uninspirierteren Schriftzug und doch beansprucht er für sich trotz seiner scheinbaren Einfallslosigkeit jeden Raum. Da, wo andere versuchen, originelle oder kunstvoll verschachtelte Tags zu kreieren, setzt Nubes auf fette Lesbarkeit. Eine bewusste Provokation?
Jedenfalls ist die Situation wohl auch so, dass sein derart geäußertes Geltungsbedürfnis etwas zwanghaftes, gewissermaßen eine Sucht entfaltet hat. OPIAT NUBES.
So geht es also auch um den Kick. Die Art und Weise und die Häufigkeit, mit der hier Energie versprüht wird, lassen mich NUBES nur als einen jungen Mann denken. Klischee? Sicher, es handelt sich auch um eine Form des Besitzergreifens ohne Geld, Privilegien oder Rechte und wirft dabei auch immer die Frage nach sozialer Gerechtigkeit auf. Bleibt aber die Antwort schuldig.
Plötzlich entdecke ich Variationen, heiter und beschwingt, gute Stimmung, vielleicht andere Drogen. Die kess angehängt Zahl 99 will möglicherweise einen Hinweis auf den Geburtsjahrgang geben. Jugendlicher Leichtsinn, ein Trittbrettfahrer oder raffinierte Nebelkerzen?
Unerwartete Entwicklung. Entdeckung der Vielfalt von Formensprache. Erste Schritte in Richtung Abstraktion. Darf ich hoffen?
Oder in Mannheim auch mal so: Hey Nubes, mach ä mol halblong. Isch glaab, sreichd jedzd. Konnschd uffhöhre.
Aber Nubes macht weiter. Vollendet. Fantastisch…
(240) 08.2016
Nubes
Westliche Unterstadt, Oststadt, Neckarstadt, Schwetzingerstadt
Einen vertiefenden, spannenden Einblick in die Szene gibt zum Beispiel der Blog: die kollektive Offensive
Ach, wissen Sie … in meiner Region ist es INF, manchmal erweitert zu INF CREW. Pervasiv, an Bahnhöfen, an Mauern von Betriebshöfen, an Lagerhallen, überall, wo es Flächen gibt.
Dann schon lieber „Wolken“ …
Ah, wieder etwas gelernt. Bisher hatte Nubes für mich keinen Sinn ergeben. Aber ich glaube, ich bin jetzt durch, nachdem ich via Blog auch etwas öffentlichen Raum beansprucht habe. Ich bin mir schon bewusst, dass es sich um eine bestimmte Form von Kultur handelt, die ich ja gar nicht in Frage stelle, die aber in diesem Fall etwas zu laut und zu einseitig mit mir kommuniziert hat. Schließlich richtet sich die Schrift nicht nur an bestimmte Insidergruppen, sondern wird in ihrer Überdeutlichkeit wohl von Vielen wahrgenommen und kann aus meiner Sicht dann auch berechtigt rezipiert werden.
Dies ist keine Streetart, das sind „gangtags“ der Neckarwiesendealer. Quasi um das Gebiet einzugrenzen.
Na, ich weiß nicht, aber ich glaub eher nicht. Dafür ist alles viel zu aufwändig und das Risiko doch auch zu hoch. Nubes ist auch auf den typischen, von anderen Sprayern genutzten Flächen, zu finden. Ich denke aber auch, dass die Markierung, auch die Prominenz der Tags und vielleicht auch die Quantität eher eine Rolle spielen und klassische Streetart nicht im Vordergrund stehen. Da gibt es bei Sprayern sehr unterschiedliche Ansprüche.
Bedauerlich wenn solche Personen ihre Zeit damit vergeuden um Tags zu setzen, Eigentum zu beschädigen und sich dann auch noch für toll halten. Umerziehung täte da gut, um in der Realität aufzuwachen. Oder haben die Drogen das Hirn breits zermatscht?