Foto: chimperator-productions.de
Wenn im Zeit-Feuilleton zu OG Keemo´s Debutalbum geschrieben steht, deutscher Hip-Hop war selten so klug, sollte man mißtrauisch werden. Klugheit zu bescheinigen erhöht zunächst einmal die eigene Position, zeigt auf den Unterschied und bestimmt die Verhandlungsebene. Und ehe man sich versieht wird dem Straßenrapper trickreich alle die ihm eigene Emotionalität aus der Tasche gezogen, am hellen Tag, ohne Blaulicht und ohne blaues Auge. Und auch dies bedeutet Geist, wie der Titel des konzeptionell gestalteten Albums des Mannheimers aus Mainz heißt. Geist, der an dem einem Ort als kluger Gedanke erscheint, am anderen als sichtbar gewordenes monströses Gespenst. Als eine Macht, die lähmt, Angst und Schrecken verbreitet, Gewalt und Gegenwalt erzeugt, in der die Liebe erstarrt. Selbst ein gut gemeinter Vergleich, ob mit Sido oder Kendrick Lamar, sind der Beginn eines Sortierens, das die Möglichkeit des Aussortierens bereithält, sind Ausdruck jenes vor Klugheit strotzenden Geistes, der unseren Wert oder besser unseren Unwert bemisst, Erfahrungen produziert, die im Täter/Opfer Schema münden, als wäre dies zwingendes Naturgesetz. Die dunkle Hautfarbe ist Keemo’s Pfahl, um erlebte Entwertung festzumachen, wie auch eigene Identität und Widerstand zu begründen. Bei seiner unverstellten Rap-Performance, neben Tod die letzte Hoffnung, treten die ihm zugefügten Verstelltheiten um so deutlicher heraus, dekorieren den Rapper aber nicht mit Klugheit, sondern vielmehr mit Menschlichkeit und besonders dann, wenn er dir mit seinen Zeilen in die Magengrube boxt.
Musikalisch zwingt mich allerdings schon beim dritten Stück Set ein Sample von Brian Eno´s 1974 erschienenem Album Taking Tiger Mountain in die Knie. Die Sounds von Funkvater Frank sind durchgängig spannend und allemal böse und düster, um Bilder von Nacht, Beton und Kälte zu erzeugen. Erst im Outro erstrahlt ein goldenes Leuchten im tiefschwarzen Kosmos: die Siedlung singt.
Das Konzert in der Alten Feuerwache ist ausverkauft.
OG Keemo
Debutalbum Geist
Mannheimer Rapper
(373) 12.2019
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