Es ist der Wahnsinn, dass sich heute wieder Bands mit dem Geist von 1980 infizieren. Aber was soll ich sagen, mich packte ja selbst gerade wieder die Begeisterung, als ich eine alte Kassettenaufnahme von 1980 mit einem Livemitschnitt unserer Band Neue Heimat aus dem Keller kramte und abhörte. Ok, damals wären die Jungs von Euternase kritisch als Langhaarpunks beäugt worden, schließlich bedeuteten kurze Haare, alte Zöpfe abzuschneiden, die geliebten Hippie-Götter zu verbannen, sich selbst zu ermächtigen und auf der Höhe der Zeit zu sein. Auch wäre den Jungs ungeduldig mehr Pogo abverlangt worden. „Schneller!“, so der klassische Zwischennruf aus dem Publikum. Aber auch die Pogo-Verweigerung konnte ja als Provokation gut durchgehen. Insofern haben Euternase bei Ihrer soeben veröffentlichten Debut-LP L´Amour alles richtig gemacht und bei mir zudem für ein gehöriges flashback gesorgt.
Was sich hier abspielt, erscheint mir keineswegs Retro, sondern als eine kreative Reaktion. Nach der überflutenden popdeutschen Redseligkeit ist der nächste notwendige Schritt, das Sprechen wieder mühsam zu erlernen. Das Denken ist verklebt. Die Worte können nur bruchstückhaft herausgerufen werden. Natürlich muss mit der Gitarre zersägt und mit den Drums zerschlagen werden, was uns sonst noch so beengt und bedrückt. Die schrecklichen Folgen mangelnder sportlicher Betätigung im Verein sind hier unüberhörbar. Für die Releaseparty am 18. Mai im Kombinat Mannheim empfehle ich als Beleuchtung übrigens helles Neonlicht, wie damals…
Euternase
Mannheimer Band
L’Amour LP (11.05.18) erschienen bei this charming man records
(309) 05.2018
Wer ganz mutig ist kann hier auch noch besagte Aufnahme von NEUE HEIMAT aus dem Jahr 1980 hören (am besten sehr laut) oder auch den Chor der Gefangenen 1982.
Unter den Brücken
13 AprDreggische Füß, die kriegd ma uff de Necka Wies… Nein das hören wir nicht auf dieser Doppel CD von 1992. Die Originalität der Neuen Deutschen Welle aus den frühen Achtzigern ist einem solidem Handwerk gewichen. Im Sinne von Simon Reynolds ausgedrückt: dem Pioniergeist folgt der Siedlergeist.
Zeitreisende, die im Jahr 1992 in Mannheim Station machen, finden noch keine Pop-Akademie und kein Szene-Viertel im Jungbusch vor. An Orten wie Lagerhaus oder Gehrings Kommode, bei Abenteuer unter Tage in der Borelli Grotte gab es Splitter von Metal, Ska, Grunge, Rave, Indie-Rock zu hören oder eben unter den Brücken, was durchaus als eine unkomfortable Situation gedeutet werden kann. Ein Seitenhieb auf das damalige Mannheimer Kulturamt findet sich im Booklet.
Es gilt, den Verdienst dieser Siedler- Bands zu würdigen, nicht wegen ihrer musikalischen Bedeutsamkeit, sondern weil sie das Feuer am Brennen gehalten haben. Zehn Jahre später hatte Mannheim seine Pop Akademie.
Und doch, die Freude des Tauchers ist groß, wenn er einen versunkenen Schatz findet: All in vain von Transformation Fleurs. Das herrlich perlende Psycho-Bluegrass-Etwas ist zudem ein rares Tondokument mit Megus am Banjo.
A propos Feuer erhalten: Zum Schluß dieser CD gibt´s von Schwefel auch noch mächtig was auf die Ohren, aber das wird wohl eine andere Geschichte…
Unter den Brücken
33 Bands Mannheim/Ludwigshafen
Doppel-CD 1992
Industrial Jive Records
(46) 04.2013
Schlagwörter: Allying Cry, Banana Boat Jumpers, Blind Sherpas, Charles Lemming & The Heartattacks, Das Alibi Projekt, Delaware, Echophrasia, Economist, Gehrings Kommode, Giants Causeway, Inductor Zero, Laura Goes Blue, Laurent Leroi & The Stomping Zydeco, Mannheim Underground, Megus, Memento Mori, Nchzehrer, No Comment, Nothing Remains, Nova Express, O' Appetite, Party Killing Service, Pilamis, Ray & G.O.D., Schwefel, Sind Sie Ausser Gefahr, Spass Dabei, The Bizzarettes, The Improvements, The Longjohnz, The Valentines, Transformation Fleurs, Ufos Are Real, Walt Bender & The Emigrants, Waste Water Swingers, Zornzirkel