
Die massiven Bombenabwürfe im 2. Weltkrieg haben in Mannheim nicht viel Gemütlichkeit übrig gelassen, wenn sie denn überhaupt einst in den bürgerlichen Cafes anzutreffen war und wo es vielleicht doch nur stocksteif zuging in Gebäuden, die nach dem herrschendem Zeitgeist im Stil des Historismus erbaut waren. Hinsichtlich dieser Historie finden wir in O7,1 eine einzigartige Einkehr in der Innenstadt. Belle Époque nennen wir etwas schmeichlerisch die damalige Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts und sogleich stehen uns die 2011 zum Weltkulturerbe erhobenen Wiener Kaffeehäuser vor Augen, aber natürlich auch Pariser Bistros und wir können wegen der hier vorhandenen Zapfhäne auch von einer Brasserie sprechen. Also geht’s hinein ins Binokel an den Kapuzinerplanken, das uns mit dieser nostalgisch romantischen Atmosphäre empfängt, als hätte es Kriege nie gegeben und uns Platz nehmen lässt auf dunklen Kaffeehausstühlen, hier große Spiegel, da ein verspieltes Deckenfresko, ein Sandsteintor an hoher Wand und alles mit einer gehörigen Portion Patina, damit wir nicht unnötig fremdeln, sondern uns sogleich heimisch fühlen und eigentlich könnten wir noch den Lärm des Mannheimer Bierkrawalls vernehmen, als 1873 eine deftige Bierpreiserhöhung die Mannheimer Proletarier auf die Straßen trieb gegen die Ungerechtigkeit des Großkapitals , oder uns in Erinnerung rufen, dass auch die Wiener erst durch die Türken zum Kaffee kamen. Doch schon blättere ich in der Karte (im Nachhinein betrachtet müsste ein Croque Monsieur drinstehen), ein Spiegelei bitte, jedenfalls froh, asiatischem street food entkommen zu sein, das ich eigentlich mag wenn´s gut gemacht ist, doch dabei insbesondere den Umstand vermieden, hinter einer großen Glasscheibe zu sitzen, präsent am Platz, als wäre die Stadt ein Großraumbüro und somit zufrieden, hier ein kleines Versteck gefunden zu haben. Aber ich merke schon, ihr müsst weiter und ich schweife aus, ich schweife ab, auch wenn dies sicher ganz im Sinne des Binokels ist, das uns mit seinen grade mal ein paarunddreißig Jahren sehr angenehm irgendeinen Charme der letzten 150 Jahre vorspielt. Abschweifen ist schließlich ein Vorrecht der Freizeit und die ist hier, während ich ausnahmsweise mal zur Mittagszeit frühstücke, doch einigermaßen gut verbracht. Also, wenn ihr gehen wollt, ich bleib noch.
Bistro Binokel
Café – Bistro – Bar
O7, 1
68161 Mannheim
Fon: 0621-23074
Fax: 0621-1289686
(300) 02.2018
Schlagwörter: Bar, Bistro, Brasserie, Cafe, Frühstück, Innenstadt, O7