Zur letzten Vorstellung des Cinema Quadrats im Collini-Center läuft am 09.11.2019 bei freiem Eintritt allerdings nicht der gleichnamige Film von Peter Bogdanovich, der übrigens im Gründungsjahr des Cinem Quadrats 1971 rauskam, sondern Night on Earth von Jim Jarmusch. Jedenfalls Autorenfilm. Am 30.11.2019 wird das Kino im 3. Stockwerk von K1, 2 feierlich eröffnet. Mal gespannt, wie der Startfilm dann wohl heißt….
Das Mannheimer Nationaltheater irritiert mich. Genauer gesagt ist es das Schauspiel, das mich stets schon im voraus in eine innere Aufregung versetzt. Es provoziert in mir die Idee, die Grenze zwischen Freiheit, Kunst und Leben sei aufgehoben, sei wie ein Strick, der hier auf dem Boden liegt und kein Hindernis darstellt. Leben und Tod, Trennung, Verbundenheit sind unsere Sache. Wir leben uns aus. Freude, Wut, Schmerz. Hart werde ich im erbarmungslosen Foyer zurückgeworfen. Bin vereinzelt in einer Publikumsmenge, die sich gerade jetzt und hier aussteift. Wohin mit meiner Unruhe? Ein Getränk. Was für ein Stück. Will ich mich, da die Tür nicht verschlossen scheint, überhaupt unterhalten lassen? Die Rollen sind festgelegt. Ein Gong ertönt. Wir begeben uns nach oben. Welche Möglichkeiten vergeben wir? Welche Antworten wollt ihr pausenlosen Fragesteller? Wollt ihr überhaupt Antworten oder spielen? Die Türen schließen sich. Wir sitzen auf unseren Plätzen. Jetzt ein Licht, wie es nur das Theater kennt. Spiel und Applaus. Und Dankbarkeit, endlich Dankbarkeit.
Ein Abo wäre keine Überlebensgarantie, aber ein guter Vorsatz.
update: Bernhard Sandfort ist im April 2020 im Alter von 84 Jahren verstorben.
Warum nur, frage ich mich, bin ich nicht schon früher die fünf Treppenstufen zu Bernhard Sandforts Produzentengalerie hinaufgegangen und habe die Tür geöffnet? Immerhin hatte ich schon über 30 Jahre lang die Gelegenheit dazu. Lag es an dem kleinen Raum, der mich vielleicht mit einer zu intimem Situation erwartete, oder an der Möglichkeit, den Meister bei der Arbeit zu stören, was mir unangenehm wäre? Ist der Name AUGENLADEN ein Hinweis, dass es genügen soll, einfach nur durch die Scheiben zu schauen und die Produktionen zu betrachten? Ich könnte diese Fragen in das von Bernhard Sandfort 1977 gegründete Museum der Fragen einbringen, aber ich werde jetzt doch einfach zum ersten Mal hinein gehen und ihn, den mittlerweile über 75 jährigen Künstler persönlich begrüßen. Von außen durch das Schaufenster kann ich ihn sehen, wie er an einem Tisch in der Mitte des Raumes sitzt und offenbar Zeitung liest.
Einfach hinein gehen… ha, viele gegenseitige Entschuldigungen, er, beim Essen, ich, wollte nicht stören, nein, nein überhaupt nicht, die Tür sei ja offen. Er, sich schließlich wieder setzend, ich dankbar, stehe im Raum und lasse meinen Blick durch den kleinen weiß getünchten Kosmos schweifen, rechts ein psychedelisch wirkendes Bild von 1960, dann nach links, chronologisch wie ich vermute, eine Hängung examplarischer Werke bis hin zu seinen Aktuellsten. „Praktisch mein Lebenswerk“, ruft er vom Tisch herüber, ohne Ironie und steht dann doch wieder auf, zu den Bildern an der Wand hin, um mir Erklärungen zu geben. Die schwarzen vertikalen Balken stehen für die Gesetzmäßigkeit, die bunten schrägen Linien für Zufall. Ich assoziiere laienhaft das Buch der Wandlung und John Cage, er weist hin auf die Möglichkeiten der Aufhängung in alle vier Richtungen, Begrenzung und Unendlichkeit sind die Themen seiner Bilderserien. „Dann haben sie ja unendlich viel zu tun“, scherze ich. „Das Leben ist begrenzt“, stellt er fest und wir kommen ins Plaudern über Mies van der Rohe und dessen Wettbewerbsentwurf für den Nationaltheater-Neubau, den Abriss des Kunsthallen-Anbaus, den Gardasee und das gute Essen in der Pfalz. Schließlich, ich bin ein guter Gast, warum nur musste ich so viel Mut aufbringen, hereinzutreten? „Nun“, beruhigt er mich verständig, „man soll es ja auch nicht zu leicht machen.“
Augenladen Bernhard Sandfort Heinrich-Lanz-Straße 21 Mannheim / Schwetzinger Vorstadt
Nirgendwo sonst in Mannheim hätte ich meinen lange und heiß geliebten Film Céline et Julie vont en bateau von Jacques Rivette kennen lernen können, als hier. Allein diese Tatsache macht doch eigentlich schon die große Bedeutung dieses kleinen Kinos deutlich. Aber wo ist hier oder wo war hier? Mannheims kommunales Kino hatte schon einige Ortswechsel hinter sich. 1974 im Studio Werkhaus des Nationaltheaters untergebracht, ergab die Nähe zum Schauspiel einen ganz besonderen Reiz. Danach ging´s ins Kubus nach L7, 11, wo manche Theaterfreundschaft erhalten blieb und ja, ich erinnere mich an einige schon fast glamouröse Feiern mit illustren Gästen. Seit 1990 finden wir das Cinema Quadrat in einem der sonderbarsten Gebäude Mannheims, im Collini-Center.
Vielleicht hatte der Umzug hierhin dazu beigetragen, dass ich lange dem Kino fernblieb, sicherlich auch die ganze digitale Welle, das breitere Fernsehprogramm, Video und DVD und auch privates. Diesen schweren Fehler erkennend bin nun froh und erleichtert, dass es die Einrichtung immer noch gibt. Un amour de jeunesse, veranlasste mich, das Kino mal wieder zu besuchen. Freudig zur Spielstätte strebend, hoffend noch zwei Plätze zu bekommen, verwandelte sich mein erwarteter Ansturm in ein familiäres „Hallo“ ohne Wartezeit. Gewiss, der Kinosaal gleicht einer quergestellten Schuhschachtel, doch beim verlöschenden Licht kümmerts mich in meinem bequemen Sitz schon nicht mehr, denn nun übernimmt das Geschehen auf der Leinwand das Kommando. Erfreulicherweise ist das Cinema Quadrat auch der Ort, an dem Film und Zuschauer wieder zu einer gewissen Würde zurückfinden: Es ziehen keine Popcorn Gerüche durch die Räume, weil es kein Popcorn gibt! Sekt und Nüsschen sind jedoch zu haben. Was dem Gourmet recht ist, soll dem Cineasten billig sein. Das Programm bietet regelmäßig Filme, die eigentlich nur auf den immer wichtiger werdenden, rund um die Welt veranstalteten Filmfestivals gezeigt werden. Bemerkenswert ist auch, dass sich das Cinema Quadrat seit jeher den Wissenschaften und der Musikszene geöffnet hat. Wohlan denn Mannheimer, hier will ich Schlangen sehn, hier will ich Schlange stehn!