Eigentlich ist ein grauer Himmel wesentlich für ein unverfälschtes Setting am Industrie- und Handelsstandort Mannheim. Die viel zu häufig versendeten Bilder mit einem rot glühenden Sonnenuntergang oder von einem Mannheim in leuchtend bunten Farben erwecken im Allgemeinen einen unrichtigen Eindruck, überstrahlt doch ein zu viel an Sonnenglanz nur zu leicht die real bestehenden Verhältnisse. Am Neckarufer der Neckarstadt West hat sich der Fluss tief eingegraben, haben die Menschen einen kräftigen Kakaogeruch in der Nase, einen dauerhaften Geräuschpegel im Ohr und einen Blick auf die Arbeitswelt vor Augen und doch ist gerade das Neckarufer West von unschätzbarem Wert für die Erträglichkeit des Hierseins.
Eintrag in Logbuch: Rekordverdächtige frühlingshafte Temperaturen zu Silvester locken, wie hier im Käfertaler Wald am Karlstern, zu Spaziergängen und Aktivitäten nach draußen.
Tiger im Herbstgewand. Schöne Co-Produktion von Kunst und Natur an der Kunsthalle Mannheim. Als schreitender Tiger steht er übrigens auch in Mainz auf einem Sandsteinsockel an der Rheinpromenade. Der Bildhauer Phillip Harth war seinerzeit leider Mitglied im Kampfbund für deutsche Kultur und 1933 im Vorstand der Berliner Secession, ausgerechnet nachdem diese jüdische Künstler und Kommunisten ausschloss. Schließlich erhielt er aber doch auch von den Nazis ein Arbeitsverbot und stand unter Polizeiaufsicht. Nichtsdestotrotz stand er auf Goebbels Gottbegnadetenliste.
Fürwahr gibt es wenige Einrichtungen in Mannheim, die sich guten Gewissens als Biergarten bezeichnen lassen und auch wenn es in Mannheim ohnehin keinen Biergarten im streng bayrischen Sinne gibt, so gehört das Außenlokal des Restaurants Estragon wohl nicht nur zum engeren Kreis, sondern an die Spitze derer, die eine idealtypische Anmutung dessen bieten, was wir uns als einen Biergarten erträumen. Feiner Kies, ein alter Kastanienbaum, klassische Holzgarnituren, gezapftes Bier, guter Service, erschwingliche Preise und eine besondere Lage, die sich als Ziel für einen ausgedehnten Spaziergang oder als freudig ersehnter Stop einer schönen Radtour anbietet. Bei Letzterem sollten wir uns bereits auf dem Heimweg befinden, denn die angebotenen Speisen machen es nicht leicht, sich ihres Verzehrs zu verweigern, sodass wir wohl etwas schwerer an Gewicht wieder aufs Rad steigen, als wir bei unserer Ankunft abgestiegen sind. Die Speisekarte des Biergartens verhehlt allerdings nicht die frankophil mediterrane Ausrichtung, die das Estragon in seinem Inneren seit jeher hatte, sodass wir auf ihr in aller Regel weder Schweinshaxn noch Weißwürsterl finden, stattdessen Flammkuchen, üppige Salatteller, aber natürlich dann auch Schnitzel mit Pommes und, wer sagt´s denn, doch noch einen Obatzda.
Ganz in der Nähe der Silberpappel unterhalb des Rheindamms gelegen ist dieser Biergarten ein ganz hervorragender Grund, auf einen goldenen Herbst zu hoffen.
Mannheim ist voller Rätsel und Wunder. Jedoch wäre es nicht angebracht, ja geradezu verantwortungslos, etwas ganz und gar Unerklärliches zu einer touristischen Attraktion zu vermarkten. Vielmehr erscheint es äußerst ratsam, sein Bekanntwerden zu vermeiden und ich verfasse diese Zeilen auch nur, weil ich mir sehr sicher sein kann, dass niemand sie liest. Eines der bestgehüteten Geheimnisse Mannheims befindet sich im Luisenpark. Man vermutet, von hier aus verbreitete sich das mittlerweile geflügelte Wort uffbasse, welches sich Einheimische von je her schon zuraunten, sobald sie auch nur in die Nähe jener von einer seltsam faszinierende Aura umgebenen Stätte kamen. Auf einer fast unmerklichen Anhöhe stehen in engem Abstand zwei zueinander gewandte, ebenso grob wie präzise behauene Steinsäulen, obenauf gekrönt mit eigenwilligen goldenen geometrischen Körpern und bilden etwas, das die wenigen Eingeweihten ehrfurchtsvoll DEN ZWISCHENRAUM nennen. Nur die Mutigsten unter den Mutigen wagen sich hier freiwillig hinein. Kein Außenstehender hat je erfahren, was genau sich in diesem ZWISCHENRAUM ereignet, denn es widerfährt allein dem, der sich in ihn hineinbegibt. Man munkelt von gewaltigen Energien, irren Visionen und nicht selten geschehen ein unerklärliches Verschwinden ebenso wie überraschende Erscheinungen. Auf jeden Fall heißt es uffbasse! An den Eingängen des vergitterten Parks wurde unter dem Vorwand der Kostensenkung sicherheitshalber eine elektronische Datenerfassung eingeführt, um die hineinkommenden Besucher zu zählen und mit der Anzahl derer zu vergleichen, die den Park verlassen, um das Phänomen des ZWISCHENRAUMS so zumindest statistisch zu erfassen.
Blick über das ehemalige Landschaftsschutzgebiet Am Aubuckel. Bagger bereiten Becken für künstliche Au-Gewässer zur BUGA 23 vor. In 15 Monaten queren Seilbahngondeln in 40 Meter Höhe.
Nach dem Besuch des Auwalds im äußersten Südwesten bekommt der Name des Stadtteils Rheinau einen ganz anderen Klang. Einen Lieblichen, Fließenden, der anders als die prägende Relaisstraße und viel deutlicher als das sich weit ausbreitende Hafengebiet auf die ursprüngliche Gegebenheit hinweist, die einst wohl das gesamte Gebiet prägte: Rhein-Au
Der Auwald ist Teil des Naturschutzgebietes Backofen-Riedwiese, das mit der Reißinsel und der Silberpappel zu den ältesten der insgesamt neun Naturschutzgebieten in Mannheim gehört. Die Antwerpener Straße ist Grenzline zwischen Industriegebiet und Natur.
Au – so erfahren wir es von der Infotafel, bedeutete im mittelhochdeutschen Sprachgebrauch Wasser. Bäume und Vegetation sind hier von den wechselnden Wasserständen, sei es Hochwasser oder Grundwasserpegel, beeinflusst.
Munteres vielstimmiges Vogelgezwitscher erklingt aus den Sträuchern und Büschen. Die Landschaft gleicht dem Waldpark, jedoch ohne Park. Altrheinarme, teils mit, teils ohne Wasser, ziehen sich durch das Waldgebiet.
Der Hauptweg führt uns mit etwas Abstand entlang des Rheins, manche Querwege aber führen ans Ufer, wo wir auf erstaunliche Kies- und Sandbänke und beeindruckende Silber-Weiden blicken.
Bei aller Begeisterung sollten wir nicht vergessen, dass wir uns in einem kostbaren Schutzraum für Pflanzen und Tiere bewegen und uns entsprechend verantwortungsbewusst zu verhalten haben. An die Backofen Riedwiesen schließt sich das Naturschutzgebiet Schwetzinger Wiesen Richtung Rohrhof/Brühl an bis zur Anlegestelle Kollerfähre, was einen ausgedehnten Rundweg von ca. 9 Kilometern ermöglicht.
Auwald bei den Backofen-Riedwiesen Mannheim Brühl Edingen-Neckarhausen
Der Neckar macht dicke Ärm. Tauwettter und tagelanger Regen führen zum Hochwasser, hier von der Friedrich-Ebert-Brücke aus gesehen. Abenddämmerung und Regenwolken machen die Sache etwas dramatischer als sie ist. Krähen gegen Möwen: Vorteil Möwen.
Käfertal. Schön langsam gesprochen, Käfertal, klingt schon fast nach fantastischer Poesie.
Kefferthal, wie der Stadtteil früher auch mal hieß, entspricht eher der Mannheimer Mundart und weist Richtung ursprünglicher Bedeutung: Tal der Kiefern.
Im Himmel zeigt der Baum uns sein Gesicht. Im Wind sein schwankendes Gewicht…
Zur Zeit der Kurfürsten für die Jagd genutzt, damals eher Eichen- und Buchenmischwald. Manche der kerzengeraden Wege sind barocken Ursprungs, sogenannte Rundwege eckig.
Lange schon ein Wald der Forstwirtschaft, angelegt für schnell wachsenden Ertrag, gleicht er zuweilen einer Plantage.
Seit 2007 jedoch auch ausgewiesener Erholungswald. Obwohl meistbesuchter stadtnaher Wald Baden-Württembergs viel Platz, nur am Hotspot Karlstern überlaufen. Unsichtbar die Landesgrenze nach Hessen.
Flußlandschaften, und solche finden wir in Mannheim, zeigen gerade auch an nebligen Novembertagen ihre Reize, wenngleich auf unserem Spaziergang kein Sumpfgelände, sondern der hochgelegene Neckardamm die Perspektive bestimmt.
Unser Spaziergang führt von der Friedrich-Ebert-Brücke Richtung Schleuse Feudenheim. Zu manchen Zeiten lässt sich hier noch ferner Trommellärm und eine an- und abschwellende Erregung aus dem Fussballstadion vernehmen.
Aber eigentlich ist die Simmung eher ruhig und versunken, zieht dir vielleicht ein grünes Loden an und stellt dir einen treuen Jagdhund an die Seite.
Blick nach Osten: Der Odenwald ist verschwunden.
Beim Überqueren der Riedbahnbrücke-Ost schaut ein grüner Geist herauf.
An der Schleuse finden derzeit erhebliche Baumaßnahmen zur Vergrößerung der Kammer statt. Von Hektik aber keine Spur.
Kormorane…
… und seltsame Spiegelungen am Neckarkanal.
Den Anbau verhüllt ein Gerüstnetz, das Collini-Center verhüllen Wolken.
Farbrausch in Mannheim titelte Ende September die Rheinpfalz und meinte damit aber die große Henri Matisse Ausstellung in der Kunsthalle, deren Fassade im Hintergrund unseres Bildes noch zu sehen ist. Die selbstkletternde oder auch gewöhnliche Jungfernrebe an den Pergolen am Wasserturm zeigt sich hingegen jedes Jahr im Herbst keineswegs als gewöhnlich. Ohne der Kunst die Schau stehlen zu wollen, möchte man sagen, der Herbst malt doch die schönsten Farben.
Wilder Wein am Wasserturm
Pergolen Friedrichsplatz