
Gemütlich ist´s. Drinnen sind die schweren Stoffvorhänge vor den großen Glasfronten zum Rhein wegen der hellen Nachmittags-Sonne teilweise zugezogen, also nichts zu spüren von der Kühle einer Hotellobby aus den Gemälden Edward Hoppers. Sofort bekannte Gesichter getroffen, begrüßt und gemeinsam Platz genommen. Die Ausstattung lässt uns rasch glauben, wir säßen in der Bar eines Hafens an irgendeinem der sieben Weltmeere, statt am Rhein. Nicht geschäftlich, auf Urlaub. Die Atmosphäre im Entschleunigungs-Modus. Manche Mitarbeiter des freundlichen Teams können sich dem nicht entziehen, so dass die, eigentlich heiße, vorzügliche Schokolade bereits wieder in den Erstarrungszustand überzugehen droht, als sie bei uns ankommt. O.k. das war ein Scherz, aber eine Aldi Verkäuferin muss ganz ohne Witz in der gleichen Zeit sämtliche Obstkisten umpacken. Nun, wir fühlen uns hier nicht gedrängt.
Beim Gang zur Toilette erfahre ich durch aufgestellte Faltkarten, dass Hotelbetreiber Jürgen Tekath Analphabet war und nun Unternehmer ist. Ich möchte das nicht schmälern und wollte es auch gar nicht wissen, doch verspüre ich dahinter etwas, das mich gegensteuern lässt, trotzdem es gar keine Kurven zu geben scheint. Der Punkt ist: Ich glaube nicht daran, dass jeder alles erreichen kann und wenn ich weiter nachdenke, bekomme ich Zweifel an der Frage, ob ein Mensch etwas erreichen muss und unbewusst provoziert mich das Bild von Mahatma Gandhi als Interieur und die 7 Todsünden der westlichen Welt neben dem schönen Spülstein. Diese mit viel Zuwendung und Kreativität hergestellte Ästhetik, die Industrie-Utensilien, fernöstliche Gottheiten, Zeichen der Askese und Angesammeltes werfen ein schimmerndes Netz zur kunstvollen Verschleierung. Da ich Verschleierung sage, erahne ich die Existenz einer anderen Wirklichkeit und zu all den Weisheiten, Wahrheiten und Wirklichkeiten kommt nun auch die Täuschung und auch meine Selbst-Täuschung, denn natürlich(?) gebe ich mich gerne Reizen hin, sitze bequem, genieße und verdränge nach Kräften und alles will bezahlt werden und es braucht Kaufkraft, die ich erreichen muss, weil ich vermeiden will, unangenehme Dinge zu erleben und ist es denn so, dass das Bedürfnis nach Entschleunigung durch die beschleunigten Verhältnisse um mich herum entsteht, die aber im Grunde durch unseren Aufenthalt hier gar nicht verändert werden, hat aber doch Gandhi durch seine Bewegung etwas verändert, nicht für sich, sondern für das Volk?
Als ich an unseren Tisch zurückkehre, bemerke ich, dass einige Nachbartische für den Abend schon reserviert sind. Draußen auf dem Deck haben Sonnenfreunde ihren Versammlungsort gefunden. Ich bewundere dort nochmal die Bauholzmöbel und dann ein Blick nach oben zu einem kleinen goldenen Balkon. Keine Frage, ich finde es großartig, dass der Mannheimer Architekt Andreas Schmucker und Jürgen Tekath diese traumhafte Sache mit dem ehemaligen Getreidespeicher verwirklicht haben, statt phantasielose seltsame Investorengruppen mit dem Geld anderer Leute. Den European Hotel Design Award 2013 haben sie gewonnen, Bundespräsident Joachim Gauck war schon da und ja klar, wir halt, jedenfalls in der Bar, eben auch.
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Hotelbar Mannheim
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(118) 01.2014
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